Ich möchte heute noch einmal das von mir bevorzugte Szenario für die Entwicklung der Aktienkurse in den kommenden Wochen aktualisieren und zur Diskussion stellen.
Mein letztes Update stammt vom 21.03.2020.
Was erwartet uns (oder auch nicht) in den kommenden Wochen?
Konsumverhalten
Arbeitslosenzahlen sind ein guter Indikator für das Konsumverhalten der kommenden Monate.
? https://www.brokervergleich.de/wissen/statistiken/konjunkturindikatoren/arbeitsmarktdaten-deutschland/
In Deutschland haben wir das Kurzarbeitergeld, dass die Menschen bislang vor Arbeitslosigkeit schützt. In den USA sieht es ganz anders aus. Dort haben in den letzten Wochen über 6mio Menschen einen Erstantrag auf Arbeitslosengeld eingereicht. Auch Österreich ist stark getroffen und meldet einen extremen Anstieg der Arbeislosenzahlen. ?https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/cornavirus-arbeitslosenzahl-in-oesterreich-steigt-mehr-als-50-prozent-a-3dd384fb-cdb9-4a2a-b385-ede4865774fa
In anderen Ländern ohne Kurzarbeitergeld wird es nicht besser aussehen.Mehr Arbeitslose bedeuten zwangsläufig weniger Konsum.
Viel mehr Arbeitslose bedeuten also viel weniger Konsum.
Die weltweit rasant steigenden Arbeitslosenquoten sind natürlich auf den abrupten Shutdown der Wirtschaft zurückzuführen. Das Hochfahren der wirtschaftlichen Aktivitäten dürfte die Arbeitslosenzahlen demnach auch rasch wieder senken.
Wie schnell kommt die Konsumlust zurück?
Bis vor wenigen Wochen hätte man lange und kontrovers über die Frage diskutieren können, wie schnell man die Wirtschaft in den Dornröschenschlaf schicken kann. Heute wissen wir.
Es geht sehr schnell. Die Wirtschaft herunterzufahren ist bei vorhandenem politischen Willen problemlos möglich. Bei ausreichend hoher Verunsicherung in der Bevölkerung sogar ohne Widerstand. (Ich halte die ergriffenen Maßnahmen auch für richtig und angemessen.)
Bislang ungeklärt ist jedoch die Frage, wie schnell man die Wirtschaft wieder hochfahren kann.
Diese Frage beziehe ich nicht auf die Möglichkeiten mit Blick auf eine mögliche zweite pandemische Infektionswelle. Ich meine damit, wie schnell man die Konsumlust der Menschen wieder anknipsen kann.Denn hier dreht sich das System im Kreis.
Konsumlust setzt eine geringe Arbeitslosigkeit voraus. Ohne Konsum hat die Wirtschaft aber keine Nachfrage, die sie bedienen kann. Folglich werden keine Mitarbeiter eingestellt.
Je länger der Shutdown der Wirtschaft anhält, umso stärker durchdringt auch die Verunsicherung bzgl. der Zukunftsaussichten die Menschen. Auch diese Angst kann das Konsumverhalten negativ beeinflussen.
EDIT, 07.04.2020: Diese Gefahr scheint sich sogar mittlerweile in Studien zu bestätigen. ?https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/corona-pandemie-jeder-vierte-will-auch-nach-der-krise-weniger-ausgeben-a-9e55451c-833f-4724-ba2f-28627d426ce6?fbclid=IwAR3EekoTSB8bU2kRkwSH0mb–A9Sq_XefVtodze8mZ9ws-2x0uniDz4Sa5E
Die Gefahr einer längere Rezession auf Grund einer nicht schnell wieder hochfahrenden Wirtschaftsleistung ist also durchaus gegeben. Diese wird uns vermutlich nicht über Jahre begleiten. Aber einige Monate mehr als es bislang viele Marktteilnehmer erwarten wären durchaus möglich.
Was vermittelt die Börse uns im Moment?
Die Börsenkurse scheinen diese Gefahr im Moment nicht widerzuspiegeln. Vielmehr sorgen Nachrichten von abflachenden Infektionszahlen und von ersten Quarantänelockerungen (bspw. in Österreich und Norwegen) für starke Kursgewinne der großen Indizes. Eher negative Nachrichten, wie das Verschärfen von Maßnahmen bspw. in Schweden oder das Verhängen des Notstandes in der weltweit drittgrößten Volkswirtschaft Japan (?https://www.dw.com/de/japan-plant-den-nationalen-notstand/a-53028181) werden ausgeblendet.
Wann spiegeln die Börsen die Unsicherheit bzgl. des kommenden Aufschwungs wider?
In den vergangenen Wochen haben die Börsenkurse vor handelsfreien Tagen eher Schwäche gezeigt. Ostern ist zwar einerseits historisch eine eher starke Zeit für die Börsen, auf der anderen Seite steht der Handel aber von Karfreitag bis Ostermontag an vier ganzen Tagen (in den USA an drei Tagen). Es ist vor diesem Hintergrund möglich, dass auch zum Ende der aktuellen Handelswoche noch einmal die Vorsicht Einzug hält. Garantiert ist das aber natürlich nicht. Denn direkt nach Ostern werden schließlich weitere Meldungen über einen Lockerungszeitplan aus Deutschland, USA und anderen Ländern erwartet.
Die Euphorie kann also durchaus noch weiter anhalten und über Ostern hinausgehen.
Erst die wirklichen Schadensmeldungen aus der Wirtschaft, weitere Prognosen aus Analysehäusern und mglw. erste negative Nachrichten über Insolvenzen und nur langsam steigender Konsumlust der Verbraucher nach dem Shutdown würden dann für weitere Kursrutsche sorgen können.
Bei ausbleibenden negativen Nachrichten und tatsächlich schnell sinkender Arbeitslosigkeit und schneller Rückkehr des Verbrauchervertrauens ist eine weitere Kurserholung ohne “zweites Standbein” der Kurse möglich.
Das wissen wir aber erst Ende April / Mitte Mai.
Bis dahin bleibt es definitiv spannend.
Ich freue mich wie immer auf eure Kommentare und eine informative Diskussion.
Viele Grüße,
David
PS: kommt gerne auch in meine Facebook-Gruppe für langfristige Geldanlage. Alle Assets sind willkommen, solange seriös darüber diskutiert wird ?