In den letzten Tagen habe ich bereits einiges geschrieben zum cool bleiben, zum Verhalten in der Panik etc.
AUFRUF zum sachlich bleiben – langfristig denken!
Die Panik ist da! Cool bleiben ist harte Arbeit….
Eine Krise auszusitzen ist aber nur die Hälfte der Erfolgsformel für langfristigen Erfolg an der Börse. Heute versuche ich deshalb einmal den Blick wieder nach vorne zu richten und eine mögliche Entwicklung der Börsenkurse über die nächsten 12 Monate zu skizzieren.
Wichtiger Hinweis
⚠️WICHTIG: Was ich beschreibe ist ein Modell. Ich gebe keine Handlungsempfehlung ab und ich sage nicht, dass das hier skizziert Geschehen so eintreten wird. Es handelt sich lediglich um eine von vielen möglichen Entwicklungen.
Das Dilemma mit den Börsenweisheiten
Wir alle wissen, dass die großen Erfolgsstorys an der Börse von denen geschrieben wurden, die im richtigen Moment im großen Stil Aktien gekauft haben. Es stimmt also, wenn man sagt:
“Vermögen werden in der Krise gemacht”
Die Weisheit
“time in the market beats timing the market”
ist deshalb zwar in Zeiten ohne Krise mit Sicherheit hilfreich. In Zeiten einer Krise sollte man aber nicht unbedingt blind nach dem ersten Abwärtsschub all in gehen. Denn wie weit es noch nach unten geht, kann heute definitiv niemand sagen. Die kommenden Monate könnten sich als sehr schlecht für die Wertentwicklung des Portfolios erweisen.
Das Potenzial für eine schnelle Erholung ist gegeben. Das Potenzial einer Bullenfalle aber auch und das Potenzial für eine lange Rezession sowieso.
Ich hatte schon vor ein paar Wochen geschrieben, dass bislang niemand eine belastbare Prognose abgeben kann, welche wirtschaftlichen Folgen die aktuelle Situation haben wird. Die Börsen waren in den letzten drei Wochen im Blindflug unterwegs und sind es auch weiterhin. Die Kurse bleiben von Emotionen und kurzfristigen Nachrichten getrieben. Übertriebenes Market timing und der Versuch den absoluten Tiefpunkt zu erwischen ist also auch in der aktuellen Situation nicht möglich. So früh wie möglich all in zu gehen, um die Zeit am Markt zu maximieren ist aber gerade jetzt ebenfalls kein guter Rat.
Die Politik der letzten Jahre
Jeder kritische Anleger weiß und wusste schon vor dem aktuellen Crash, dass die Fiskalpolitik seit der Finanzkrise von 2008 hochgradig toxisch ist. Lange Phasen mit Leitzinsen um Null schafft Blasen am Aktienmarkt, Immobilienmarkt und anderen private Equity Assets. Zu günstige Kredite hält nicht marktfähige Unternehmen künstlich am Leben. Anleger werden ins Risiko gedrängt und wähnen sich gleichzeitig von scheinbar kontinuierlich steigenden Kursen in Sicherheit.
Auf der anderen Seite muss man auch klar sagen, dass wir jahrelang Ruhe hatten. Die Wirtschaft hat weltweit gebrummt. Viele Menschen konnten ein Leben in Wohlstand führen. Das sind die vordergründig sichtbaren Resultate dieser Politik. Und an diesen Ergebnissen lassen Politiker sich gerne messen.
Die derzeitige Politik
Alles, was derzeit geschieht ist ebenfalls das Ergebnis politischen Handelns.
- Die Quarantänemaßnahmen sind politisch angeordnet.
- Das Abgeben von Garantien, Bürgschaften, Soforthilfen und das Ankündigen von Helikoptergeld sind politische Handlungen.
Inwieweit diese Maßnahmen sinnvoll sind oder nicht, soll hier gar nicht bewertet oder diskutiert werden.
Zu den Quarantänemaßnahmen
Es ist aber klar, dass die Quarantänemaßnahmen auch jederzeit wieder außer Kraft gesetzt werden können. Die Politik hat also selber in der Hand, die Nachfragerückgänge, die Umsatzverluste in Hotel- und Gastronomiebetrieben und in all den anderen Branchen relativ schnell wieder zu lockern. Es ist nicht mehr möglich, alle Umsatzverluste auszugleichen. Stornierte Reisen werden nicht einfach kurzfristig nachgeholt und die Unsicherheit der Menschen wird sich beim schnellen Aufheben der Maßnahmen nicht von heute auf morgen in Luft auflösen. Aber es wäre politisch möglich, den Knebel zeitnah wieder zu lockern.
Meine persönliche Erwartung ist, dass die geschehen wird, wenn die befürchteten langfristigen Auswirkungen auf die Wirtschaft und damit auf das Leben der Menschen größer wird, als die negativen Auswirkungen eines sich weiter schnell ausbreitenden Coronavirus. Konkret ausgedrückt: Ich halte es für wahrscheinlich, dass die Quarantänemaßnahmen innerhalb weniger Wochen zurückgefahren werden. Ich glaube aber auch, dass bis dahin zunächst mit weiteren Einschränkungen zu rechnen ist. Deutschland hat noch keine grundsätzliche Ausgangssperre verhängt. Dies könnte aber durchaus noch kommen. Denn die derzeitigen Maßnahmen können nur dann eine verlangsamte Ausbreitung des Virus bewirken, wenn die Menschen wirklich Abstand zueinander halten. Im Moment scheint das noch nicht der Fall zu sein.
Zu den angekündigten Wirtschaftshilfen
Die angekündigten Hilfen und das Aufheben bisheriger Denkverbote, bspw. für Helikoptergeld zeigen, dass die Politik offenbar bereit ist, die Werkzeuge, die in der Finanzkrise “erfolgreich” angewandt wurden auch dieses Mal zu verwenden. Nun kommen die Ankündigungen der Maßnahmen schneller und stärker. Das sorgt einerseits für Unsicherheit, weil es die Angst vor einer Rezession befeuert, andererseits schafft es aber auch Vertrauen darein, dass die Staaten und Notenbanken bereit stehen, zu helfen.
Was könnte also geschehen?
Es lässt sich nicht verhindern, dass Politiker von Wahl zu Wahl denken und dass es sich bei ihnen auch nicht um ausgemachte Experten für wirtschaftliche und medizinische Zusammenhänge handelt.
In diesem Jahr findet in den USA eine Präsidentschaftswahl statt. Donald Trump macht keinen Hehl daraus, dass er seinen innenpolitischen Erfolg an Börsennotierungen in den USA misst.
Die Geschwindigkeit und Radikalität, mit der insbesondere in den USA Wirtschaftshilfen zugesagt wurden, ist auch vor diesem Hintergrund zu bewerten.
Die folgenden Ereignisse könnten deshalb eintreten. (Nochmal: Das ist ein Modell. Es handelt sich nicht um meine Überzeugung, dass dies genauso eintritt. Es kann so kommen. Es muss nicht so kommen!)
- Die in Deutschland und den USA derzeit ergriffenen Maßnahmen reichen nicht aus, um die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus zu verlangsamen.
- Es wird deshalb binnen 1-2 Wochen weitere Einschränkungen im Leben der Menschen geben.
- => Die Punkte 1 und 2 sorgen für weitere Verunsicherung und die Kurse rutschen noch einmal deutlich ab. (Wir befinden uns noch nicht in Phase 3!)
- Die Menschen gewöhnen sich an das Virus. Es verliert seinen Schrecken. Die Politik befürchtet, dass die wirtschaftlichen Langzeitfolgen durch die Quarantänemaßnahmen die Schäden durch das Virus übersteigen.
- => Die Quarantänemaßnahmen werden gelockert. Die Unsicherheit an den Börsen bleibt. Denn jetzt beginnt die Begutachtung der Schäden. Das ist die Stelle, an der Phase 3 (wie oben verlinkt) beginnt.
- Die Politik macht ernst. Es wird aus allen Rohren gefeuert. Die Wirtschaft und mglw. auch die Privathaushalte werden mit Geld bombardiert. Das Ganze wird flankiert von einer PR-Offensive, in der man parallelen zu 2008 zieht und sich dafür feiert, dieses Mal schneller und radikaler reagiert zu haben.
- Unternehmenspleiten werden verhindert. Unternehmen werden verstaatlicht, mit kostenlosem Geld beschenkt oder mit enorm günstigen Krediten künstlich am Leben gehalten. Kurz: Die Fehler von 2008 werden wiederholt. Dieses Mal aber in noch höherer Dosis.
- => Aus 6 und 7 folgt, dass sich die Menschen wieder in Sicherheit wähnen. Die Kauflaune kommt zurück. Die Wirtschaft scheint alles schnell weggesteckt zu haben. Die Kurse an den Börsen steigen. Sie steigen schnell und sie steigen hoch. Donald Trump feiert sich als Retter der Welt und wird wieder gewählt.
Fazit
Ich kann mir vorstellen, dass die Möglichkeiten der Politik zur Einflussnahme auf die kurzfristige Handlungsfähigkeit der Wirtschaft und zum Wiederholen der Maßnahmen von 2008 genutzt werden, um “das Schlimmste” zu verhindern. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es bis dahin noch weitere starke Rücksetzer geben wird.
Kurze Erholungen wären demnach noch kein belastbares Signal für eine Bodenbildung. Erst wenn die Wirtschaft grünes Licht gibt und positive Signale für die kommenden Monate sendet, können die Kurse wieder nachhaltig steigen. Dies muss spätestens in den Q2-Berichten verkündet werden, damit es für die Präsidentschaftswahl in den USA nicht zu spät kommt.
Ob es auf Sicht von 200 Jahren immer so weiter gehen kann, weiß niemand. Viel spricht dafür, dass irgendwann der ganz große Knall kommen muss. Auf die Systemfrage können wir uns eh nicht vorbereiten und es macht deshalb auch keinen Sinn, diese jetzt zu stellen. Aber in jeder neuen Krise kommt die Frage auf: Warum sollten wir es nicht noch einmal genauso machen, wie zuvor? Im Moment spricht einiges dafür, dass sich die Geschichte wiederholen wird. Auch Langfristanleger müssen von Krise zu Krise denken. Wer es schafft, in der derzeitigen Lage, in der Nähe des Tiefpunktes mit Vertrauen nachzukaufen, kann zum Zeitpunkt des Beginns der nächsten Krise ein sehr reicher Mensch sein.
Ich freue mich auf eure Kommentare.
Viele Grüße,
David
PS: Kommt gerne auch in meine Facebook-Gruppe für langfristige Geldanlage. Alle Assets sind willkommen, solange seriös darüber diskutiert wird 😉
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